Was bedeutet Pflichtteil im österreichischen Erbrecht?

Der Pflichtteil ist ein gesetzlich garantierter Geldanspruch (§ 761 ABGB). Er schränkt die Testierfreiheit ein und sichert Kindern, Ehepartnern oder eingetragenen Partnern einen Mindestanteil am Nachlass.

Die Höhe des Pflichtteils beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils (§ 759 ABGB). Damit soll verhindert werden, dass enge Angehörige vollständig vom Nachlass ausgeschlossen werden.

Wer ist in Österreich pflichtteilsberechtigt?

Ein Pflichtteilsanspruch steht nur bestimmten Angehörigen zu:

  • Kinder und Nachkommen (Enkel, Urenkel, auch adoptierte Kinder)
  • Ehegatte oder eingetragener Partner

Voraussetzung ist, dass die jeweilige Person auch im Fall der gesetzlichen Erbfolge erben würde.

👉 Kein Pflichtteil besteht, wenn die Person

  • enterbt wurde (§§ 769 ff ABGB),
  • erbunwürdig ist oder
  • wirksam auf den Pflichtteil verzichtet hat (§ 551 ABGB).

Pflichtteil berechnen: So wird die Höhe ermittelt

Die Berechnung des Pflichtteils erfolgt auf Basis der reinen Verlassenschaft – also dem Nachlassvermögen nach Abzug der Schulden (§ 779 ABGB). Zusätzlich können Schenkungen zu Lebzeiten berücksichtigt werden (§ 787 ABGB).

👉 Beispiel:
Hat ein Kind nach gesetzlicher Erbfolge Anspruch auf 1/4 des Nachlasses, beträgt der Pflichtteil die Hälfte, also 1/8 des Nachlasswertes.

Gegen wen richtet sich der Pflichtteilsanspruch?

Der Anspruch richtet sich:

  • bis zur Einantwortung gegen die Verlassenschaft,
  • nach der Einantwortung gegen die Erben.

Vermächtnisnehmer und Beschenkte haften nicht direkt, können aber ausgleichspflichtig sein (§ 764 ABGB).

Pflichtteilsanspruch geltend machen: Fristen & Fälligkeit

  • Der Anspruch entsteht mit dem Tod des Erblassers (§ 765 ABGB).
  • Er ist ab diesem Zeitpunkt fällig und verzinslich.
  • Die tatsächliche Geltendmachung des Pflichtteils ist jedoch auf ein Jahr hinausgeschoben – dies ist eine Stundung, die Zinsen laufen weiter.
  • Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre (§ 1487a ABGB).

Pflichtteilsansprüche können vererbt, abgetreten, verpfändet und gepfändet werden.

Rechte im Verlassenschaftsverfahren

Pflichtteilsberechtigte haben eine begrenzte Parteistellung im Verlassenschaftsverfahren (§ 2 AußStrG). Sie können:

  • eine Schätzung und Inventarisierung verlangen (§§ 778, 804 ABGB),
  • eine Absonderung von Nachlasswerten beantragen (§ 812 ABGB),
  • ein Pflichtteilsübereinkommen abschließen (§ 181 Abs 3 AußStrG).

Pflichtteilsverzicht & Stundung

  • Ein Pflichtteilsverzicht kann schon zu Lebzeiten vereinbart werden oder auch nachträglich (§ 1444 ABGB).
  • In besonderen Fällen ist eine Stundung der Auszahlung des Pflichtteils möglich (§§ 766 ff ABGB).

Fazit: Pflichtteilsrecht frühzeitig bedenken

Das Pflichtteilsrecht in Österreich schützt nahe Angehörige, stellt Erblasser aber auch vor Herausforderungen bei der Nachlassplanung. Pflichtteil berechnen, Pflichtteilsanspruch geltend machen und Pflichtteilsverzicht richtig gestalten – all das erfordert fundierte rechtliche Beratung.

👉 Unser Tipp: Lassen Sie sich frühzeitig beraten, um Streitigkeiten zu vermeiden und klare Lösungen zu schaffen.

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