Das Vorausvermächtnis des Ehegatten in Österreich

Der Zweck des § 745 Abs 1 ABGB ist es, dem Ehegatten oder eingetragenen Partner, neben seiner Stellung als gesetzlichem Erben oder Pflichtteilsberechtigten, die Beibehaltung seiner bisherigen Lebensverhältnisse zu sichern. Das gesetzliche Vorausvermächtnis umfasst einerseits das Recht auf die zum Haushalt gehörenden Sachen und andererseits das Recht auf die weitere Benützung der Ehe- oder Partnerschaftswohnung. Das Vermächtnis steht dem Ehegatten, bzw. eingetragenen Partner unabhängig der Art der Erbfolge zu und hat Pflichtteilscharakter, was bedeutet, es kann nur bei Vorliegen eines Enterbungsgrundes entzogen werden. Ein Vorausvermächtnis ist aber auf den Pflichtteil anzurechnen.

Die Kunstsammlung als Teil des Vorausvermächtnis des Ehegatten?

Gegenstände, die lediglich dem persönlichen Gebrauch des Erblassers dienten, können nicht in das Vorausvermächtnis fallen. Das Gleiche gilt für Gegenstände, die primär der Funktion einer Wertanlage dienten.

In der aktuellen Entscheidung 2 Ob 38/25i des OGH wurde ausführlich thematisiert, ob ein vom Erblasser in der Ehewohnung hinterlassener Teil einer Kunstsammlung als Vorausvermächtnis zu werten ist oder nicht.

Zunächst kann festgehalten werden, dass grundsätzlich auch sehr wertvolle Kunstwerke, die in der Ehe- bzw. Partnerschaftswohnung zur Dekoration aufgehängt waren, in das Vorausvermächtnis fallen können. Dabei sind jedoch immer die Umstände des Einzelfalles abzuwägen.

Im Anlassfall handelte es sich beim Erblasser um einen Kunstsammler, der besonderes Interesse an der Wertsteigerung seiner Objekte hatte. Er hatte Teile seiner Sammlung in der gemeinsamen Ehewohnung zu Dekorationszwecken aufgehängt, wobei er laufend Kunstwerke gewinnbringend verkaufte und auch regelmäßig neue Objekte anschaffte.

Der OGH entschied, dass in jenem Fall der Dekorationsaspekt der Kunstsammlung eine untergeordnete Rolle spielte. Dem Erblasser war die kaufmännische Funktion der Wertsteigerung vorrangig. Dabei legte der Erblasser auch Wert auf seine eigene Bedeutung als Sammler. Die Kunstsammlung war also nicht Teil der gemeinsamen Lebensführung der Ehegatten und fiel damit auch nicht als Vorausvermächtnis der Ehegattin zu.

Daraus lässt sich erkennen, dass der räumliche Aspekt allein noch nicht ausreicht. Die Situation ist stets im Einzelfall zu werten.

Der OGH stellte also fest, dass Kunstwerke, die nicht ohnehin als Werke der angewandten Kunst im Haushalt eine Gebrauchsfunktion erfüllten, unter das Vorausvermächtnis nach § 745 Abs 1 ABGB fallen können, wenn sie durch Aufhängen oder Aufstellen zur Dekoration der Ehewohnung dienten. Das gilt nicht, wenn im Einzelfall die Funktion als Wertanlage oder als Bestandteil einer Kunstsammlung so deutlich in den Vordergrund trat, dass die Dekorationsfunktion nur mehr ganz untergeordnete Bedeutung hatte.

Fazit

Es kann festgehalten werden: Damit Kunstwerke als Vorausvermächtnis iSd § 745 Abs 1 ABGB gelten, muss es sich um bewegliche, haushaltszugehörige Gegenstände handeln, die der gemeinsamen Führung eines ehelichen Haushaltes dienten und die zu dessen Fortführung durch den hinterbliebenen Teil notwendig sind.

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